Manche Dinge sind schwer zu fassen. Wo fängt ein Berg an? Wo hört er auf? Jedenfalls erstreckt sich der Eisenberg geologisch betrachtet nicht von Rechnitz im Norden bis nach Güssing im Süden – das Weinbaugebiet gleichen Namens hingegen schon. Wieso man dennoch diesen Namen als DAC-Herkunft gewählt hat, ist nicht so leicht erklärt. Er klingt wohl besser, als die eigentlich naheliegende Bezeichnung DAC-Südburgenland. Tatsächlich sorgt es aber für Verwirrung, weil nur ein Teil der Eisenberg-DAC-Weine tatsächlich vom Eisenberg stammt, der für seine außergewöhnliche Mineralität bekannt ist. Gleichzeitig dürfen. Weine, die tatsächlich vom Eisenberg stammen, aber aus irgendeinem Grund (Ausbau, Rebsorte, Stilistik etc.) nicht die DAC-Kriterien erfüllen, nur die Herkunftsbezeichnung Burgenland tragen.
Uwe Schiefer kann über diese Regelung nur den Kopf schütteln. Der Querdenker spricht aber ohnehin lieber über seine Weine als über die Wirrnisse der Weinbaupolitik. In gewisser Weise trägt er jedoch eine „Mitschuld“, dass es so gekommen ist. Seine Weine haben entscheidend dazu beigetragen, dass das Image des Eisenbergs in derart lichte Höhen gestiegen ist, dass sich nun alle gerne damit schmücken. Blaufränkisch vom Eisenberg ist zwar das, was ihn von an Anfang an fasziniert hat und seine beiden Lagenweine Reihburg und Szapary sind nach wie vor die „Lieblingskinder“, aber das Betätigungsfeld von Uwe Schiefer hat sich in den letzten Jahren deutlich verbreitert, was nicht zuletzt durch die Beteiligung des Investors Hans Kilger vor zwei Jahren erleichtert wurde. Mittlerweile keltert Schiefer auch Trauben aus eigenen Weingärten in Lutzmannsburg und am Leithaberg sowie von jenseits der ungarischen Grenze – aber das ist eine andere Geschichte.
Bis heute leidet das Südburgenland an seiner Randlage, die sich auch durch den Fall des Eisernen Vorhangs vor über 30 Jahren nicht nachhaltig geändert hat. Einen ernstzunehmenden Markt für die Weine aus dem Südburgenland stellen weder die nahegelegenen Städte Sopron (Ödenburg) noch Szombathely dar, obwohl dort 60.000 beziehungsweise 80.000 Menschen leben. Und im restlichen Österreich waren andere burgenländische Rotweinhochburgen wie Neusiedler See, Leithaberg und Mittelburgenland früher dran, als es galt, sich einen Namen zu machen. Um die Jahrtausendwende waren die meisten der heute überregional bekannten Weingüter wie Grosz, Jalits, Kopfensteiner, Krutzler, Schützenhof oder Wachter-Wiesler bestenfalls absoluten Insidern bekannt. Viele der insgesamt 176 Weinbaubetriebe im Südburgenland betreiben den Weinbau nach wie vor im Nebenerwerb.
„Man muss den Rotweinen vom Eisenberg viel Zeit geben, damit sie ihre ganze mineralische Komplexität entfalten können. Es war früher durchaus üblich, dass man die Weine aus den wirklich guten Lagen bis zu acht Jahre im großen Fass reifen ließ, bevor sie gefüllt wurden. Mich haben diese Weine derart begeistert, dass ich meinen damaligen Traumjob als Sommelier in Wien aufgegeben habe, um zu versuchen, in meiner Heimat selbst solche Weine zu keltern“, erinnert sich der aus Großpetersdorf stammende Schiefer an „sein“ Wendejahr 1990. Bis er mit seinem ersten selbst abgefüllten Lagenwein Reihburg zuerst national und dann international für Furore sorgen konnte, vergingen aber noch ein paar Jahre.
Da hatte der Perwolff der Familie Krutzler schon begonnen, sich einen Namen als lagerfähiger Kultwein zu machen. Die ersten Jahrgänge wurden noch ganz dem Trend der Zeit entsprechend mit bis zu 20 % Cabernet Sauvignon verschnitten. Ab 2000 wurde der Cabernet-Anteil auf zehn Prozent zurückgefahren, seit 2012 ist der Perwolff ein reinsortiger Blaufränker aus den besten Krutzler-Lagen in Deutsch-Schützen und am Eisenberg. Der Ausbau in neuen Barriques ist geblieben, allerdings nur mehr teilweise. Damit das Holz nicht zu dominant wird, reift ein Teil in gebrauchten 500-Liter-Fässern heran. Die vor über 40 Jahren gepflanzten Rebsorten Cabernet Sauvignon und Merlot werden heute sortenrein ausgebaut und haben ein große Fangemeinschaft, allerdings sind die Mengen sehr gering. Der Blaufränkisch spielt auch in Form eines Basisweins und als „Alter Weingarten“ gefüllt die absolute Hauptrolle. Hinzu kommen noch die drei DAC-Weine Eisenberg, Eisenberg Reserve und Eisenberg Spätfüllung.
Seit Jahren zu den am besten bewerteten Rotweinen der Region zählen die Lagen-Blaufränker von Wachter-Wiesler. Seit der immer noch recht jugendlich auftretende Christoph Wachter das elterliche Weingut vor 18 Jahren übernommen hat, ist viel geschehen. Die Produktion wurde von 50.000 auf 80.000 Flaschen gesteigert, mittlerweile ist man auch Bio-zertifiziert, was insbesondere im Export immer wichtiger wird. Der nach den beiden Großvätern benannte Béla-Joska ist der wichtigste Wein des Weinguts, der als „Basis-Blaufränkisch“ jedes Jahr passen muss. In den letzten Jahren hat sich Christoph Wachter auf die Herausarbeitung der unterschiedlichen Lagen konzentriert. Neben dem Flagship Reihburg sind dies noch die Ried Ratschen, Saybritz und Weinberg. Und dann gibt es ja noch die 15 Prozent der Weingärten, die mit weißen Rebsorten
bepflanzt sind, doch davon später.
Dass Markus Faulhammer ein bisschen anders tickt, zeigt schon ein Blick auf seine Homepage, wo sich unter anderem ein Faultier vergnügt. Er selbst führt gemeinsam mit seiner Frau Kristina das Familienweingut bereits in siebenter Generation und zwar mit Herzblut. Vor 15 Jahren haben sie mit der Investition in einen neuen, für seine gelungene Architektur mehrfach ausgezeichneten Keller ein Zeichen Richtung Zukunft gesetzt. „Wir leben sehr gerne hier, und als wir uns dazu entschieden haben, hier zu bleiben, um vom Weinbau zu leben, galt es, dafür auch professionelle Voraussetzungen zu schaffen“, erklärt Faulhammer, auf dessen Schützenhof man übrigens auch übernachten kann.
Seine unkonventionelle Art zeigt sich auch bei seiner Weinphilosophie. Der Top-Blaufränker heißt „Senior“ und wird erst gut gereift auf den Markt gebracht. Der aktuelle Jahrgang ist 2015, bei der Vinotheksvariante handelt es sich um den 2008er. Sein Vater hatte vor 40 Jahren auch Cabernet Sauvignon und Merlot ausgepflanzt, die sich hier sehr wohl fühlen und in unterschiedlichen Anteilen gemeinsam mit Blaufränkisch als Cuvées Kastellan beziehungsweise Louis Felix gefüllt werden. Weil aber nicht alle Weine lange reifen müssen, gibt es auch eine jugendliche „Non Vintage“-Linie, deren Protagonisten Funkelbunt (weiß) und Dunkelbunt (rot) getauft wurden.
Dass auch der Weißwein am Eisenberg eine sehr lange Tradition hat, zeigt sich am Alter der Rebstöcke, die hier vereinzelt schon seit mehr als 90 Jahre stehen. Die wichtigste weiße Rebsorte ist der Welschriesling, aber man findet auch Weiß- und Grauburgunder sowie andere heimische Rebsorten wie Grüner Veltliner, Riesling oder Traminer. In der Vergangenheit wurden daraus einfache, jung zu trinkende Alltagsweine gemacht. Einen Markt für hochwertige Weißweine vom Eisenberg gab es einfach nicht. Auch kam Uwe Schiefer eine Pionierrolle zu, denn er begann bereits ab den frühen 2000er-Jahren ausdrucksstarke Weißweine aus Welschriesling zu keltern.
Es muss ja einen Grund gegeben haben, wieso unsere Vorfahren das hier ausgepflanzt und gepflegt haben. Ich habe ohnehin nicht verstanden, wieso der Welschriesling in ganz Österreich ein Schattendasein als billiger, jung zu trinkender Alltagswein geführt hat“, meint Schiefer. Die ersten Ausgaben des „Schiefer weiß“ waren „konventionell“ – also ohne extra lange Maischestand-Zeiten gekeltert. Vollreif von Hand gelesen und mit der gleichen Aufmerksamkeit behandelt wurden sie dennoch. Schon bald hat er eine mit dem Zusatz „m“ versehene Variante herausgebracht, die gut drei Monate auf der Schale vergärt. Dann darf der Wein gut vier Jahre lang in einem großen Holzfass ruhen. Ein bisschen Weißburgunder ist beim „m“ übrigens auch immer dabei, aber um eine primärfruchtige Sortentypizität geht es dabei nicht. Noch ein bisschen Zeit in der Flasche – in der Regel ein paar Jahre –, dann schmeckt er schon. Der aktuelle Jahrgang ist beim „m“ 2013 und beim einfachen weißen Schiefer 2018. Immer wieder ergänzt Schiefer sein weißes Programm mit extrem spannenden Kreationen. Auch der Traminer „m“ aus Rotem, Gelbem und Gewürztraminer ist so ein Wein.
Die Weißweine spielen rein mengenmäßig betrachtet am Weingut Wachter-Wiesler nur eine sehr untergeordnete Rolle, aber sie machen Christoph Wachter sichtlich Spaß. Sonst wäre es kaum zu erklären, wieso es bei einem Anteil von nur 15 Prozent mittlerweile vier verschiedene Weiße gibt. Neben dem „Handgemenge“ – eine jung zu trinkende Cuvée – und dem Olaszrizling (Welschriesling) gibt es noch die Alten Reben in Weiß (eine Welschriesling-Reserve von bis zu 90-jährigen Reben) und den maischevergorenen Rotedel, eine andere Bezeichnung für Traminer.
Markus Faulhammer füllt auf seinem Schützenhof den unkomplizierten Grünen Veltliner reinsortig (Mizzi & Lux), mixt aus Welschriesling und Weißburgunder den Funkelbunt und hat mit dem Apollon eine wunderbare, maischevergorene Cuvée aus Chardonnay (70 %) und Riesling (30 %) kreiert. Einen Welschriesling gibt es im Hause Krutzler schon länger. Mit dem Jahrgang 2018 füllt Reinhold Krutzler erstmals einen „Gemischten Satz
alte Reben“ ab, der zweifellos das Potenzial für eine längere Reifung hat.
Der Entwicklung, mit der sich der Weinbau im Südburgenland in den letzten 20 Jahren an die absolute Spitze unseres Landes katapultiert hat, kann man nur Respekt zollen. Wahrscheinlich entstehen nirgendwo sonst derart mineralische Blaufränker mit so einem Reifepotenzial wie am Eisenberg. Mit zum Teil maischevergorenen Weißweinen haben einige Winzer ein absolutes Trend-Thema besetzt, um das sie von klassischen Weißweinregionen beneidet werden. Man darf dabei aber nicht übersehen, dass es sich dabei um eine Nische in der Nische handelt. Mit knapp über 500 Hektar Rebfläche ist das Weinbaugebiet Eisenberg eine der kleinsten DAC-Regionen des Landes. Sogar Wien hat eine größere Fläche an Weingärten!
Im Gegensatz zu Wien gibt es im Südburgenland jedoch keine nennenswerten regionalen Absatzmärkte. Als kleines, heterogenes Weinbaugebiet sind die Mittel für eine gemeinsame Vermarktung beschränkt. Jeder Betrieb muss mehr oder weniger selbst darauf schauen, wo er bleibt. Und auch bei der Weinproduktion selbst gibt es Schwierigkeiten, die ein Außenstehender gerne übersieht. Auch wenn es zum nahegelegenen Ungarn nach wie vor ein deutliches Wohlstandsgefälle gibt, sind die Zeiten, als das Helfen bei der Lese für junge Ungarn eine willkommene Einkommensaufbesserung war, lange vorbei. Die Bilder, auf denen man glückliche Menschen bei der selektiven Handlese im spätsommerlichen Weingarten sieht, stellen die Wirklichkeit doch sehr verklärt dar. Das ändert natürlich nichts an dem enormen Potenzial der Weine vom Eisenberg, der aktuell wohl das spannendste Weinbaugebiet des Landes ist. Aber vielleicht öffnet man die nächste Flasche mit ein bisschen mehr Demut. Egal, ob weiß oder rot.
Blaufränkisch vom Eisenberg ist zwar das, was ihn von an Anfang an fasziniert hat ...
und seine beiden Lagenweine Reihburg und Szapary sind nach wie vor die „Lieblingskinder“, aber
... das Betätigungsfeld von Uwe Schiefer hat sich in den letzten Jahren deutlich verbreitert
weinbau-schiefer.at
krutzler.at
Seit Christoph Wachter das elterliche Weingut vor 18 Jahren übernommen hat, ist viel geschehen.
wachter-wiesler.at
Markus Faulhammer füllt auf seinem Schützenhof den unkomplizierten Grünen Veltliner reinsortig (Mizzi & Lux), mixt aus Welschriesling und Weißburgunder den Funkelbunt und hat mit dem Apollon eine wunderbare, maischevergorene Cuvée aus Chardonnay (70 %) und Riesling (30 %) kreiert.
weingut-schuetzenhof.at
Nach drei sehr guten Jahren ist der aktuelle Jahrgang 2020 zumindest aus Winzersicht schwierig. Schwere Gewitter haben Mitte August zu massiven Hagelschäden im gesamten Südburgenland geführt. Kaum ein Weingarten blieb verschont. Insgesamt ist der Jahrgang von einer vergleichsweise kühlen Stilistik geprägt, die aber gerade den Top-Weinen zumeist sehr gut zu Gesicht steht.