WENIGER IST MEER

Das Dolce Vita in Klagenfurt ist eines der besten Fischrestaurants des Landes – und das seit fast 30 Jahren. Trotzdem ist es um den Patron Stephan Vadnjal medial erstaunlich ruhig geblieben. Er mag das so.

Text: Wolfgang Schedelberger; Fotos: Rainer Fehringer

Marketing sei wichtig, heißt es immer wieder. Viele Gastronomen beschäftigen sich intensiv mit ihrem Social Media Auftritt und posten, was das Zeug hält. Manche beschäftigen sogar eigene Agenturen, damit sie im Gespräch bleiben und das Lokal gut besucht ist. Gut besucht ist das, versteckt in der Klagenfurter Altstadt gelegene, Dolce Vita seit vielen Jahren. Doch das schafft der Patron Stephan Vadnjal ganz ohne Marktschreierei und anbiedernden Medienauftritten. Zufrieden blickt Vadnjal auf sein erfolgreiches Berufsleben zurück, das wesentlich bewegter und internationaler begonnen hat, als die vergangenen 28 Jahre, in denen er gemeinsam mit seiner Frau Margret-Rose das Dolce Vita führt, vermuten lassen.

Das Dolce Vita ist eine Klagenfurter Institution, die es gefühlt seit einer Ewigkeit gibt. Wann hast Du das Restaurant übernommen?

Ich habe kein Restaurant übernommen, sondern diese Räumlichkeiten vor 28 Jahren mit viel Herzblut und Liebe zum Detail eingerichtet und neu aufgesperrt. Das denkmalgeschützte Gebäude war gerade renoviert worden und hat uns von Anfang an fasziniert. Es war Liebe auf den ersten Blick.

« Malereien am Teller brauche ich nicht. Ich liebe die Poesie der Reduktion. »

Du warst damals ein richtiger Weltenbummler. Wieso bist du dann doch zurück nach Kärnten gegangen?

Margret-Rose Meggy kommt ursprünglich aus Niederösterreich, ich bin aus St. Veit an der Glan und ging in Klagenfurt zur Schule. Wir haben uns beim Arbeiten im Wiener Hilton am Stadtpark kennen gelernt. Von meiner Jugend an hatte ich immer Fernweh gehabt. Die Möglichkeit, auch im Ausland arbeiten zu können, war einer der Gründe, wieso ich mich für die Gastronomie entschieden habe. Mit meinem ersten selbstverdienten Geld bin ich gleich nach Asien und Australien aufgebrochen. Später war ich dann auch einmal fünf Jahre in Australien und Neuseeland, weil mir das Leben dort total getaugt hat. Eigentlich bin ich nur deshalb regelmäßig zurückgekommen, weil ich den Kontakt zu meiner Familie nicht verlieren wollte. Doch als es Zeit war, eine eigene Familie zu gründen, wollte ich das in der Heimat tun.   

Wie bist du auf die Idee gekommen, ein italienisches Fischrestaurant zu machen?

Ich war zuvor länger in Süditalien unterwegs und wurde dort vom „mediterranen Virus“ infiziert, der mich nicht mehr losgelassen hat. Für mich gibt es eigentlich nichts Besseres, als frischen Fisch, wenn er von Meisterhand zubereitet wird. Genauso sollte es in unserem Ristorante auch schmecken. Ich wollte auch das unbeschwerte italienische Lebensgefühl der damaligen Zeit ‚importieren‘. Das spiegelt sich im Namen ‚Dolce Vita‘ wider, der ja auch der Titel eines berühmten Films von Federico Fellini ist. Der Anfang war dann aber doch schwieriger als gedacht. Wir waren noch ziemlich jung und hatten keine Kontakte. Kollegen haben hinter vorgehaltener Hand gemeint, dass wir kein halbes Jahr durchhalten würde. Stand heute sind es 28 Jahre geworden.

Aller Anfang ist schwer. Aber was waren ganz konkret die Hürden, die es zu meistern galt?

Wir haben uns die Latte selbst sehr hochgelegt. Ich bin ein absoluter Produktfetischist und war einigermaßen überrascht, wie schwierig es damals in Klagenfurt war, wirklich guten Fisch zu bekommen. Wir haben den zunächst selbst aus Italien importiert. Auch beim Gemüse waren die lokalen Bauern noch nicht so weit, wie sie heute sind, wo ich – zum Beispiel ganz aktuell – tolle Artischocken aus Kärnten bekomme. Wenn man, so wie ich, sehr reduziert und produktfokussiert kocht, spielt die Qualität der Produkte eine entscheidende Rolle. Bei mir gibt es keine schweren Saucen, die irgendetwas überdecken könnten. Ich bezeichne das gerne als Poesie der Reduktion. Es hat auch ein bisschen gedauert, bis die Klagenfurter unser Preisniveau akzeptiert haben, obwohl wir damals wie heute eigentlich ein sehr preiswertes Lokal sind. Wenn Kärntner nach Italien fahren, geben sie oft ohne zu murren wesentlich mehr Geld für einen guten Fisch aus. 

Der Einkauf ist das Eine, was man daraus macht, ganz etwas anderes. Was genau verstehst Du unter „Poesie der Reduktion?

Ich respektiere kreative Küchenchefs, die versuchen, Gäste mit unerwarteten Kombinationen zu überraschen. Ich war seinerzeit mit der Familie bei Ferran Adriá im El Bulli und bin aus dem Staunen nicht herausgekommen. Es ist schön, dass es solche Ausnahmeköche gibt, die mit allerlei Gerätschaften außergewöhnliche Dinge erschaffen, aber das ist nicht meine Herangehensweise an die Sache. Ich will immer den Eigengeschmack des Produkts zum Vorschein bringen. Das gilt für klassische Rezepte genauso, wie für kreativere Varianten. Ich lasse mich da immer vom saisonalen Angebot inspirieren. Diese Freiheit beim Kochen ist mir total wichtig und motiviert mich jeden Tag aufs Neue. Auch bei Klassikern der italienischen Küche wie Sarde in Saor oder dem allgegenwärtigen Vitello Tonnato halte ich mich nicht sklavisch an ein Originalrezept.  

Schaut simpel aus, schmeckt aber großartig: Burrata mit mediterranem Gemüse als Start ins Menü.

Von einer großen Inszenierung am Teller hältst du offensichtlich wenig. Für Instagram ist das nicht wirklich geeignet. Ist das egal?

Ich habe noch nie daran gedacht, für Instgram zu kochen. Meine Gerichte sollen zwar auch attraktiv ausschauen, aber sie sind zum Essen da und nicht, um fotografiert zu werden. Wenn ich einen perfekten Zucchino habe, brauche ich nicht viel mehr als Salz und ein bisschen Olivenöl. Mehr als drei Komponenten will ich eigentlich auch nie am Teller haben. Mit Schäumchen oder Farbkleksen optisch Eindruck zu schinden, ist nicht mein Ding. Im Laufe der Jahre hat sich ein großer Kreis an Stammgästen entwickelt, die uns treu geblieben sind, die genau das schätzen. Jetzt kommen vielfach schon deren Kinder ohne die Eltern zu uns. Mir war von Anfang an wichtig, dass sich auch Kinder bei uns wohlfühlen. Sie sind die Gäste von morgen. Wir haben unsere Kinder auch in den besten Restaurants immer mit dabeigehabt. 

« Kinder sind uns immer willkommen. Das sind die Stammgäste von morgen. »

Apropos Kinder. Die Gastronomie gilt nicht gerade als familienfreundliche Branche. Wie ist es Ihnen gelungen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen?

Ich arbeite gerne und viel. Wir haben fünf Tage die Woche mittags und abends offen. Anfangs hatten wir lediglich zwei Mitarbeiter, die uns geholfen haben – da waren wir wirklich gefordert. Doch das Wochenende war für uns immer heilig – schon bevor die erste Tochter zur Welt gekommen ist. Dann sind noch zwei weitere Mädchen gefolgt. In dieser Zeit hat sich meine Frau aus dem Service zurückgezogen und dafür die gesamte Büroarbeit übernommen, die zeitlich flexibler zu erledigen ist. An den Wochenenden haben wir regelmäßig gemeinsame Kulinarik-Reisen gemacht. 

Auch die Weinkarte im Dolce Vita ist bemerkenswert – vor allem was das Friaul betrifft. Ist der Wein eine private Leidenschaft?

Absolut. Guter Wein gehört für mich zu einem guten Essen einfach dazu. Im Laufe der Jahre habe ich alle bekannten und viele weniger bekannte Weingüter im Friaul persönlich besucht. So hat sich eine sehr persönliche Weinkarte entwickelt, die auch Flaschen umfasst, die es in Österreich sonst nirgendwo gibt. Eine Weinkarte sollte immer auch die Philosophie des Lokals widerspiegeln. Weil wir das jetzt schon mehrere Jahrzehnte machen, können wir unseren Gästen die Weine in perfekter Trinkreife anbieten. Auch Weißweine gewinnen mit ein paar Jahren Reifung in der Flasche oft dazu.  

« Viel Arbeiten und trotzdem Zeit für die Familie zu haben, war mein Schlüssel zum Glück. »

In zwei Jahren feiert ihr mit 30 Jahren Dolce Vita ein bemerkenswertes Jubiläum. Obwohl du noch sehr energiegeladen und lebensfroh wirkst, wird auch dein Berufsleben irgendwann zu Ende gehen. Wie wird es mit dem Dolce Vita weiter gehen?

Ich habe diesen Gedanken lange vor mir hergeschoben, weil mir die Arbeit tatsächlich noch viel Spaß macht. Wir haben jetzt auch ein tolles Team in der Küche, sodass ich nicht mehr jedes Service in der Küche mitmachen muss und ich mich vermehrt um die Gäste kümmern kann. Schauen wir einmal, ob einer meiner beiden Köche das Lokal weiter führen wird. Das 30er-Jubliläum des Dolce Vitas im Oktober 2025 werden wir jedenfalls groß feiern.

Das beste Vitello Tonnato nördlich der Alpen gibt es im Dolce Vita.

Hausgemachte Pasta mit frischen Langostinos – so geht Pasta!

was & wo

Restaurant Dolce Vita

Heuplatz 2

9020 Klagenfurt