MIT GRÜNER STATT ROSAROTER BRILLE

Der oberösterreichische Gastronomie-Lieferant Kröswang feiert heuer sein 50jähriges Jubiläum. Zeit für Rück- und Ausblicke mit Firmenchef Manfred Kröswang, den wir im Rahmen des diesjährigen GastroBizz im sonnigen Dubrovnik zum Interview getroffen haben.

Text: Wolfgang Schedelberger Fotos: Kröswang

Lust & Leben: Andere schauen gerne durch eine rosarote Brille, Sie haben sich zum Interview eine grüne Brille aufgesetzt. Was hat es damit auf sich?

Manfred Kröswang: Unser Unternehmen feiert heuer 50 Jahre. Zu diesem Jubiläum machen wir im Juni ein großes Fest in unserer Firmenzentrale am Klaushof bei Grieskirchen. Dort haben meine Eltern vor 50 Jahren mit der Belieferung der Gastronomie begonnen. Jeder Gast bekommt eine grüne Brille geschenkt, die für einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft steht. Ich trage sie jetzt bei strahlend schönem Wetter schon einmal zur Probe.

Die Zukunft des Unternehmens scheint ja durchaus erfreulich zu sein. Kröswang schreibt keine rote, sondern tiefschwarze Zahlen, oder?

Richtig. Die Zahlen sind natürlich wichtig, und wir bemühen uns Jahr für Jahr darum, ordentlich zu wirtschaften, weil das die Basis für eine gesunde Unternehmensentwicklung ist. Gleichzeitig sind mir aber andere Parameter wichtig, die sich nicht unmittelbar aus der Bilanz ablesen lassen. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter und unserer Kunden steht in unserem Werte-Katalog ganz oben. In eine Bilanz können auch einmal externe Faktoren hineinspielen, die nichts mit der eigenen Performance zu tun haben. Eine Pandemie wie Corona hat wohl niemand am Schirm gehabt, um nur ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit zu nehmen.

Wenn die Gastronomie gesetzlich geschlossen wird, braucht es auch keine Lieferanten – der Umsatz ist über Nacht auf Null gesunken. Wie ist Kröswang durch diese Krise gekommen?

Eigentlich sehr gut. Die ersten paar Wochen habe ich mir Sorgen gemacht, weil wir ja sowohl unseren Kunden als auch den Lieferanten gegenüber Verpflichtungen hatten und es nicht ganz klar war, wie wir in so einer Situation für ausreichende Liquidität garantieren können. Schlussendlich gab es jedoch umfassende gesetzliche Regelungen und Förderungen, sodass auch die meisten Gastronomen relativ unbeschadet durch die Krise gekommen sind. Wir haben keine Mitarbeiter kündigen müssen und sind danach sehr erfolgreich mit neuem Schwung durchgestartet.

Was bedeutet das konkret? Konntet Ihr den Wachstumskurs von „Vor-Corona“ wieder aufnehmen?

Absolut. Wir wachsen im Schnitt rund zehn Prozent pro Jahr, was ich für eine gesunde Entwicklung halte, weil wir das sowohl was die eigene Infrastruktur als auch unsere Mitarbeiterzahl betrifft, gut managen können. Ein allzu rasches Wachstum schafft fast jedem Unternehmen Schwierigkeiten, rückläufige Umsätze ebenfalls. Wir gehen dabei aber nicht übermotiviert in den Markt und versuchen mit aggressiv Aktionen „auf Teufel komm raus“ neue Kunden zu gewinnen. Wir bauen konsequent unsere Frische-Kompetenz aus und entwickeln dabei auch laufend neue Produkte, die das Leben für unsere Kunden einfacher macht. Vor zwei Jahrzehnten lag der Anteil des Tiefkühlsortiments noch bei zwei Drittel, heute liegt der Anteil von Frische-Artikel bei mehr als 50 Prozent.

Lassen sich solche Sortimentsverschiebungen bewusst planen, oder folgt man dabei einfach nur allgemeinen Marktentwicklungen?

Wir leben in einer freien Marktwirtschaft und sind nicht das einzige Unternehmen, bei dem Gastronomen Lebensmittel einkaufen. Gerade im Trockenbereich gibt es relativ wenig Raum für qualitative Differenzierung, da ist der Preis vielfach das einzige Kaufkriterium, wo internationale Multis ihre Marktmacht ausspielen können. Geht es um Frischware, ist vor allem die Logistik und die Nähe zu den Lieferanten wie auch zu den Kunden entscheidend. Das macht uns so schnell keiner nach. Ich habe schon schmunzeln müssen, als ein Mitbewerber vor kurzem damit geworben hat, dass er im Fleisch-Segment jetzt neu 50 Artikel aus Österreich im Sortiment hätte. Wir haben über 500 Artikel und können das gesamte Fleischsortiment mit Ware aus Österreich liefern, auf Wunsch auch in Bio-Qualität. Unter dem Motto „Zeit für Fleisch. Aus Österreich“ haben wir vor kurzem gemeinsam mit unseren Lieferanten eine große Regionalitäts-Offensive gestartet.  

« Nicht immer bedeutet Bio automatisch einen Mehrwert im Sinne der Nachhaltigkeit. »

Apropos „Bio“. Wie wichtig ist das Öko-Thema eigentlich bei Kröswang?

„Bio“ und „Öko“ sind zwei ganz unterschiedliche Dinge. Nachhaltigkeit zu wirtschaften, ist schon lange ein ganz zentraler Wert unseres Unternehmens. Wir haben schon vor der Energie-Krise sämtliche Standorte mit Photovoltaik-Anlagen ausgerüstet und produzieren über 50 Prozent unseres Strombedarfs selbst. Den Rest beziehen wir als Öko-Strom. Wo immer möglich, sparen wir CO2-Emissionen ein, den verbleibenden Rest kompensieren wir mit zugekauften Zertifikaten. Wir sind also nachweislich ein CO2-neutrales Unternehmen. Meeresfische kaufen wir ausschließlich mit MSC-Siegel, auch wenn das nicht für jeden Kunden entscheidend ist. Das Thema „Bio“ ist komplex. Nicht immer bedeutet Bio automatisch einen Mehrwert im Sinne der Nachhaltigkeit. Wir kennen alle unsere Lieferanten seit vielen Jahren und wissen genau, wie sie produzieren. Daher ist uns ein amtliches Siegel, das nur gewisse Mindeststandards zertifiziert, nicht ganz so wichtig. Mittlerweile gibt es aber auch bei Kröswang ein breites Frische-Sortiment mit Bio-Bereich.

Frische ist ein relativer Begriff, mit dem viele gerne werben. Der Weg vom Feld zum Kunden ist allerdings eine Black-Box, über die niemand gerne spricht. So frisch, wie ein Supermarkt-Kunde glaubt, ist eine Bio-Tomate, die aus Südspanien kommt, dann doch nicht. Aber so genau will man das halt nicht wissen ...

Wir wissen das ganz genau und sprechen gerne darüber, denn darum dreht sich bei uns eigentlich alles. Anders als im Supermarkt liegt das Gemüse bei uns nicht in Regalen herum und wartet darauf, dass es irgendwann gekauft wird. Wir liefern großteils „on demand“. Wenn eine Bestellung eingeht, wird diese in Echtzeit an unsere Lieferanten weitergeleitet, sodass wir in der Lage sind, binnen 24 Stunden frisch zu liefern. Schneller geht es einfach nicht. Neben durchgehenden Kühlketten und einer ausgeklügelten Logistik ist für die reibungslose Vernetzung der IT-Systemen mit den Lieferanten entscheidend. Das macht uns so schnell keiner nach.

Wie hat sich das Frische-Sortiment in den letzten Jahren entwickelt? Gibt es auch hier einen Trend zu Convenience-Produkten?

Ich mag den Begriff „Convenience“ nicht sonderlich, weil Konsumenten damit oft einen Verzicht auf Frische und Qualität assoziieren. Gleichzeitig überlegen wir uns laufend, welche Arbeitsschritte wir den Köchen abnehmen können. Wenn wir Kartoffel nicht nur waschen, sondern auch gleich schälen, verlieren sie bei professioneller Handhabe nichts von ihrer Qualität. Auch vorgeschnittener Salat kann durchaus Sinn machen. Wir haben gemeinsam mit unseren Lieferanten viel Know-How entwickelt und in Geräte investiert, wie sie man sie selbst in Profi-Küchen nicht findet. Noch größeres Potential gibt es diesbezüglich im Tiefkühl-Segment. Wir beschäftigen zwei eigene Produkt-Manager, die laufend neue Produkte entwickeln. Vor allem in der Patisserie tut sich da wahnsinnig viel. Wir haben Spezialitäten im Sortiment, die man auch in der 5-Sterne-Hotellerie bedenkenlos einsetzen kann. Wenn wir unseren Kunden Verarbeitungsschritte abnehmen, darf das nie mit einer Verschlechterung der Qualität einhergehen, sondern stellt zumeist sogar eine Verbesserung dar.

Gilt das auch für das immer wieder gerne angeführte Beispiel des Wiener Schnitzels?

Das ist ein gutes Beispiel, um zu zeigen, worum es dabei geht. Natürlich liefern wir auch Kalb- oder Schweinefleisch im Ganzen, falls der Koch die Portionierung selbst vornehmen will. Für viele Gastronomen macht es jedoch wesentlich mehr Sinn, diesen Arbeitsschritt von uns erledigen zu lassen. Wir haben auch fix und fertig panierte Schnitzel in unserem Tiefkühlsegment, die wunderbar soufflieren. Schmeckt ein frisch paniertes Schnitzel die Spur besser? Wenn alle anderen Parameter gleich sind, wahrscheinlich schon. Wird das Schnitzel jedoch nicht frisch paniert, sondern ein paar Stunden zuvor, hat unser TK-Schnitzel geschmacklich immer die Nase vorne. Wir haben das hunderte Male getestet und kritisch verkostet – auch gemeinsam mit Kunden. Und dabei haben wir noch gar nicht vom Wareneinsatz gesprochen.

Heißt das, dass es für Gastronomen günstiger ist, auf Kröswang-Convenience-Produkte zu setzen, anstatt selbst zu kochen? Geht da nicht ein Stück österreichische Genusskultur verloren?

Nein, das meine ich nicht. Ein guter Koch, der frisch produziert, macht natürlich einen großen Unterschied. Für diese Kundenschicht haben wir mit Sicherheit die größte Frische-Kompetenz der Branche. Es stellt sich nur die Frage, welche Arbeitsschritte vor Ort in der Küche passieren müssen und welche man vernünftigerweise auslagert. Um gewisse Vorbereitungsschritte verlässlich erledigen zu können, braucht es mehr Personal, als in meisten Küchen verfügbar ist. Was macht man mit Abschnitten, die anfallen, aber nicht unmittelbar verwertet werden können? Wie plant man sein Angebot bei wechselhafter Nachfrage? Wir können einem Gastronomen nicht die wirtschaftliche Planung seines Unternehmens abnehmen, aber wir können ihm dabei helfen, erfolgreicher zu sein.

« Die Zeiten, in denen die Oma am Wochenende mitgekocht hat, damit es sich wirtschaftlich irgendwie ausgeht, sind vorbei. »

Wie siehst du die Lage der heimischen Gastronomie generell? Die befürchtete große Marktbereinigung durch Corona ist ja weitgehend ausgeblieben, oder?

Es ist zu keiner großen Schließungswelle gekommen, die Marktbereinigung passiert jetzt – oft im Zusammenhang mit dem Generationswechsel – schrittweise. Professionell geführte Wirtshäuser können auch heute sehr erfolgreich geführt werden, wie wir als Lieferant ja tagtäglich tausendfach erleben. Doch die Zeiten der Selbstausbeutung, wo die Oma am Wochenende mitgekocht hat und die Kinder im Service mithelfen mussten, damit es sich wirtschaftlich irgendwie ausgeht, sind vorbei. Manche Gastronomen reagieren mit eingeschränkten Öffnungszeiten wie einer 4-Tages-Woche, was manchmal zwar einen niedrigeren Gesamtumsatz bedeutet, aber gleichzeitig die Ertragslage verbessert. Ich sehe die inhabergeführte Gastronomie nicht in der Krise.

Gerade im urbanen Raum boomen schnelle, trendige Konzepte, die mit Kampfpreisen versuchen, eine junge Zielgruppe anzusprechen. Was für Angebote habt ihr für preisaggressive Gastronomen?

Gar keine. Natürlich bieten wir unseren Kunden gute Produkte in unterschiedlichen Preissegmenten an, aber wer versucht, sich ausschließlich über den Preis zu definieren, ist bei uns an der falschen Adresse. Wir haben klare Vorstellungen hinsichtlich unserer Qualitätsstandards. Wir kaufen keine ausländische Billigware, um bei ruinösen Preisschlachten am Rande der Legalität mitmachen zu können. Gleichzeitig gibt es viele trendige Konzepte im urbanen Raum, die eine junge Zielgruppe mit gutem Essen ansprechen und zu unseren treuen Kunden zählen. Was die Produkt-Qualität bei Kröswang betrifft, gibt es ein ganz einfaches Kriterium: Wir verkaufen nichts, was wir nicht selbst gerne essen würden!

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Du hast das elterliche Unternehmen schon in jungen Jahren übernommen und beachtlich weiterentwickelt. Hat sich dein Führungsstil in den letzten 20 Jahren verändert, oder hast du dich in der Rolle des Chefs auf Anhieb wohlgefühlt?

Ich habe schon neben meinem Studium laufend im Unternehmen mitgearbeitet und auch meine Diplomarbeit darüber gemacht. Ich habe das Unternehmen also sehr gut gekannt und hatte dadurch einen gewissen Startvorteil. Als Eigentümer hatte ich trotz meiner Jugend von Anfang an ausreichend Autorität, auch wenn mich das Thema Personalführung in den ersten Jahren an meine Grenzen gebracht hat. Ich habe immer versucht, mit Argumenten zu überzeugen und wichtige Entscheidungen gemeinsam mit meinem Führungsteam zu treffen. Was ich im Laufe der Zeit lernen musste, war weniger zu arbeiten und nicht mehr. Die ersten drei Jahre lang habe ich gar keinen Urlaub genommen und war täglich von früh bis spät in der Firma. Irgendwann ist mir klar geworden, dass es so nicht weiter gehen kann – weder privat noch gesundheitlich. Wir haben dann gemeinsam mit einem externen Berater ein Organigramm mit zehn Schlüsselpositionen erstellt, wo acht Mal mein Name aufgeschienen ist. So kann man einen Betrieb nicht dauerhaft führen. Danach haben wir das Unternehmen auf komplett neue Beine gestellt und strategische Verantwortungsbereiche genau definiert. Das hat sich auch auf das Klima bei allen Mitarbeitern extrem positiv ausgewirkt, was sich auch in einer sehr geringen Fluktuation zeigt. Ein wertschätzender Umgang der Mitarbeiter untereinander ist bei uns kein Schlagwort, sondern gelebte Praxis. Wir haben eine Größe erreicht, bei der das Funktionieren des Unternehmens nicht davon abhängig sein darf, wie gut der Chef gerade drauf ist. Meine wichtigste Aufgabe ist es, darauf zu schauen, dass alle Mitarbeiter gut drauf sind. Erfreulicherweise scheint uns das ganz gut zu gelingen.

Gut gelaunt ins Jubiläumsjahr – Manfred Kröswang beim Interview am GastroBizz in Dubrovnik.

« Die Bilanz verrät nicht alles, was wichtig ist. »

Das Frischekompetenzzentrum von Kröswang mit dem Klaushof.
Josef Moosbrugger, Karl Feichtinger, Manfred Kröswang, Norbert Marcher und Rudolf Großfurtner (v. l.) tragen die Regionalitätsoffensive gemeinsam.

« Wir beschäftigen zwei eigene Produkt-Manager, die laufend neue Produkte entwickeln. »

24-h-Frischegarantie: Die frischen Lebensmittel der Kröswang-Partner werden bis 4 Uhr früh auf die zwölf Standorte verteilt. Ab 5 Uhr früh startet die Belieferung in die Küchen der Gastronomie.

wer & was

ZUM UNTERNEHMEN

In den 1960er Jahren begann der umtriebige Landwirt Manfred Kröswang senior auf seinem traditionellen Vierkanter Klausmayrhof (heute Klaushof) damit, vermehrt auf Hühnermast zu setzen. Es kamen damals die ersten Geflügelrestaurants („Wienerwald“ und Co) auf. Dann ergab sich eine Vetriebspartnerschaft mit dem Vorarlberger Großbäcker Ölz, der auch im Osten des Landes Fuß fassen wollte. Manfred Kröswang senior hatte Freude an der unternehmerischen Tätigkeit und investierte in Lagermöglichkeiten und Fahrzeuge, um mit der Belieferung der Gastronomie zu beginnen. Offizielles Gründungsjahr war 1974. Die eigene Hühnermast wurde eingestellt, der Vertrieb von Lebensmittel für die Gastronomie konsequent ausgebaut. Es kamen laufend neue Lieferpartner hinzu, auch Eier, Pommes Frites und Tiefkühlprodukte wurden ins Sortiment aufgenommen. In den 1990er Jahren standen die Zeichen auf Expansion – auch mit neuen Standorten in Wiener Neudorf und Melk, dann im Pinzgau und in Wernberg sowie in Partnerschaft mit Robert Redl in Zwettl. Während Manfred Kröswang in Wien sein Betriebswirtschaftsstudium abschließt, entstand in Böheimkirchen ein modernes Logistikzentrum. Mit weiteren Standorten und der Kooperation mit der Vorarlberger Firma Frischhandel ist Kröswang ab der Jahrtausendwende österreichweit präsent. In Sauerlach bei München wird die erste nicht-österreichische Niederlassung gegründet. Auch am süddeutschen Markt reüssiert man mit „Frische aus Österreich“, zwei weitere Standorte im Allgäu folgen. Konsequent wurde auch der Firmensitz bei Grieskirchen modernisiert und erweitert. Die beachtliche Unternehmensentwicklung lässt sich auch in Zahlen fassen. Als Manfred Kröswang die Unternehmensleitung im Jahr 2003 übernahm, lag der Umsatz bei 32 Millionen Euro, die Mitarbeiterzahl betrug 90. Im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschafteten über 600 Mitarbeiter einen Umsatz von 372 Millionen Euro.