Es schmeckt einfach nach mehr! So begründen die meisten Weizenbier- Freunde ihre Vorliebe für die obergärige Bierspezialität aus Weizenmalz. Das „Mehr“, das sie dabei schätzen, hat allerdings weniger mit dem Getreide an sich zu tun, sondern vor allem mit der Art des Brauens. Im Gegensatz zu den bei uns üblichen untergärigen Bieren wie Märzen und Pils wird Weizenbier obergärig gebraut. Dabei entstehen mehr Aromastoffe, die das Bier intensiver machen und ihm fruchtige Noten (Banane, Marille etc.) verleihen. Zumeist hat es auch etwas mehr Stammwürze und Kohlensäure als gängige Märzenbiere, dafür aber weniger Hopfen. All das hat nicht zwingend mit der Verwendung von Weizen zu tun, sondern entspricht jenem Stil, der sich im benachbarten Bayern im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet hat. Ursprünglich hatte die Obrigkeit genau geregelt gehabt, wie welches Getreide zu verwenden sei. Der Weizen war dem Brotbacken vorbehalten, zum Brauen war die Gerste vorgesehen. Der Hafer war für die Pferde, Mais gab es noch nicht. Nach dem bayerischen Reinheitsgebot von 1516 war das Brauen von Weizenbier zunächst untersagt. Erst einige Jahre später wurde das Gebot, ausschließlich Gerste zu verwenden, aufgeweicht und auch der Weizen zugelassen – allerdings immer als explizites Privileg für bestimmte Brauereien.
Ausschließlich mit Weizen gebraute Biere gab und gibt es übrigens keine. Die Vergärung von reinem Weizenmalz ist (so wie bei Roggen) schwierig, weshalb immer etwas Gerste dazugegeben wird. Damit man ein Bier als Weizenbier bezeichnen darf, muss es zumindest 51 Prozent Weizenanteil haben. Meistens sind es um die 70 Prozent.
Während die Craft-Bier-Revolution der letzten 20 Jahre vor allem die aromatische Bandbreite des Hopfens ausgelotet hat, spielt dieser beim klassischen Weizenbier eine untergeordnete Rolle. Es geht nicht um die Bittere, sondern um Vollmundigkeit und die feingliedrige Aromenvielfalt, die durch die obergärigen Hefen entstehen. Im besten Fall bereichern sie das Geschmacksprofil, im schlechtesten Fall werden sie als Fehltöne wahrgenommen. Für Braumeister ist das Herstellen von Weizenbier also immer eine besondere Herausforderung. „Vor allem bei kräftigen Interpretationen, wie etwa unserem ‚Braumeister Weizenbock‘, kommt es darauf an, dieses Aromaspiel möglichst perfekt einzufangen“, erklärt Felix Schifferer, der seit einigen Monaten als Braumeister bei Fohrenburger tätig ist.
Schifferer ist in der heimischen Bier-Szene kein Unbekannter. Sein Vater Karl, der das gleichnamige Bier-Gasthaus im Mühlviertel führt, wurde gleich bei der ersten Biersommelier-Weltmeisterschaft 2009 Sieger, Sohn Felix hat es „nur“ zum Vizeweltmeister geschafft, das dafür aber gleich zweimal. Nach 2017 hat er im September 2022 in München wieder zugeschlagen. Neben der Silbernen bei den Sommeliers hat er in München übrigens auch Doppelgold und Bronze geholt. „Sein“ Fohrenburger Braumeister Weizenbock wurde bei den European Beer Star Awards 2022 ebenso mit der Goldmedaille ausgezeichnet wie das Fohrenburger Jubiläum. Quasi zur Ergänzung von Schifferers Medaillenspiegel gab es noch Bronze für das helle Fohrenburger Weizen.
Bei Weizenbier denken Bierfreunde zuerst einmal an Bayern. Kein Wunder. In keiner anderen Region der Welt wird seit Jahrhunderten eine derart große Vielfalt an unterschiedlichen Weizenbieren gebraut wie bei unseren weiß-blauen Nachbarn. Und auch nirgendwo sonst wird so viel Weizenbier getrunken. Rund ein Drittel der bayerischen Bierproduktion fällt in die Kategorie „Weizen“. Dass man dort auch das Synonym Weißbier verwendet, mag auf den ersten Schluck irritieren. Denn hell muss ein bayerisches Weißbier keineswegs sein. Das berühmte Schneider Weiße ist bernsteinfarben, der Aventinus Bock aus der gleichen Brauerei sogar richtig dunkel. Marken wie Augustiner, Erdinger, Franziskaner, Paulaner und Weihenstephan sind auch in Österreich ein Begriff. Dazu kommen noch kleinere Brauereien wie Gutmann, das Hofbräuhaus Traunstein oder Andechser, die in der heimischen Gastronomie geschätzt werden.
Auch in Berlin („Berliner Weiße“) und in Belgien („Witbier“) hat die Herstellung von Weizenbieren eine gewisse Tradition. In Belgien, wo man auf den puristischen Zugang à la Reinheitsgebot seit jeher verzichtet, werden die Witbiere oftmals aromatisiert, was mitunter sehr reizvoll sein kann. Das bekannte belgische Witbier ist das mit Orangenschalen und Koriander aromatisierte Hoegarden, das witzigste wohl das White Thai Beer von Westbrook mit Ingwer und Zitronengras. Ein originelles Witbier mit zugesetzten Naturaromen gibt es übrigens auch aus Österreich. In Dornbirn wird bei Mohrenbräu neben einem klassischen Weizenbier auch ein Belgian Style Wit gebraut, das mit Orangenschalen und Koriander aromatisiert und unter dem Namen „Blütenweiss“ in der 0,75-Liter-Bügelflasche ausgeliefert wird.
Österreich war lange Zeit kein wirkliches Weizenbierland. Die erste Weißbierbrauerei des Landes wurde 1901 in Salzburg eröffnet. Der Name war Programm: Sie heißt noch heute schlicht und einfach „Die Weisse“. 1972 kam mit der Rieder Brauerei eine zweite Weißbier- Brauerei dazu. Im gleichen Jahr begann man in Obertrum ein „Weizengold“ zu brauen. Mit der beginnenden Fokussierung auf Pils hat Josef Sigl VII. die Marke 1997 an die Stieglbrauerei verkauft, die sie bis 2011 weiter pflegte. Stiegl bietet heute mit der „Stiegl Weisse“ sowie der Hausbier-Spezialität „Gipfelstürmer“ gepflegte Weizenbiere an.
1986 begann man in der Brauerei Kaltenhausen das Edelweiß zu brauen und beruft sich dabei auf ein Rezept aus dem Jahr 1646. Das Sortiment wurde schrittweise ausgebaut, wobei zunächst das filtrierte „Kristall“ am beliebtesten war. Doch der Geschmack der Österreicher hat sich im Laufe der Jahre verändert. „Kristallweizen“ – also filtriertes Weizenbier – spielt heute in Österreich keine Rolle mehr. Das seit 2012 in der Brauerei Zipf gebraute Edelweiß gibt es heute in den Varianten hell, dunkel, Hofbräu und Gamsbock sowie in einer alkoholfreien Version. 2019 hat die Brau Union als Ergänzung zur Edelweiss-Range das Gösser Naturweizen auf den Markt gebracht, das neben 50 % Weizenmalz und 40 % Gerstenmalz auch zehn Prozent Dinkelmalz enthält. Es ist bewusst als „Einstiegsweizen“ für Frauen und junge Konsumenten gedacht und wurde in der Fruchtaromatik eher zurückhaltend gestaltet. Als explizite Bio-Spezialität hat die Brau Union außerdem noch das Schladminger „Schnee-Weiße“ im Sortiment.
Während die meisten Gerstenbiere untergärig gebraut werden, kommt bei Weizenbieren die ältere Methode des obergärigen Brauens zum Einsatz. Dabei entstehen als „Nebenprodukt“ wesentlich mehr Aromen, die – wenn alles gut geht – auch sehr gut schmecken. Die meisten kleinen Craft- Brauer machen ob des Risikos von unerwünschten Fehlaromen einen großen Bogen um obergärige Biere. Stattdessen widmen sie sich den in jüngster Zeit so populär gewordenen stark gehopften Trendstilen wie Pale Ales. Der Pionier der heimischen Craft-Bier-Szene, Reinhold Barta, kann in seinem Salzburger Gusswerk beides. Neben seinen beliebten untergärigen Craft-Bieren braut Barta auch einen „klassischen“ Weizenguss sowie seinen mehrfach prämierten Weizenbock in Bio-Qualität.
In Österreich findet man außer in speziellen Bierlokalen wie etwa dem Braugasthof „Die Weiße“ in Salzburg nur selten Weißbier vom Fass. Das hat vor allem damit zu tun, dass Österreich ein typisches Märzenbier-Land ist. Neun von zehn Krügerln (beziehungsweise „Halbe“), die bei uns bestellt werden, fallen in diese Kategorie. Manche Wirte wollen ihren Gästen lieber noch ein Pils oder ein Zwickl vom Fass bieten. Als Ergänzung hat man dann meist noch ein bis zwei Weizenbiere in der Flasche im Angebot. Das macht unternehmerisch durchaus Sinn, denn so gut ein Weizenbier aufgrund des höheren CO2-Gehalts in der Flasche frisch bleibt, so problematisch ist es, Weizenbier vom Fass längere Zeit offen zu haben. Viele Weizenbier- Freunde lieben es auch, sich ihr „Weizerl“ selbst einzuschenken, um für eine perfekte Schaumkrone zu sorgen. Traditionell trinkt man Weizenbiere aus speziellen Gläsern, damit sich die Aromenvielfalt des Biers besonders gut entwickeln kann. Ein frisch gezapftes Weizenbier vom Fass schmeckt zwar eine Spur besser als aus der Flasche, aber der Unterschied ist nicht so groß wie bei gängigen Pils- und Märzenbieren.
„Manchen Weizenbieren wird vor der Flaschenfüllung noch eine kleine Hefedosis zugegeben, was zu einer zweiten Flaschengärung führt. Diese Biere bleiben dann auch in der Flasche lange frisch“, erklärt der mehrfach ausgezeichnete Biersommelier Michael Kolarik-Leingartner, der bei Del Fabro Kolarik für die Gestaltung des Biersortiments verantwortlich ist. Im Prinzip ist auch gegen Weizenbier in Dosenform nichts zu sagen – zumindest aus sensorischer Sicht. Wenn das Bier gut gekühlt ist, kann man sein Weizenbierglas auch aus der Dose mit einer perfekten Schaumkrone füllen, nur ist das in der Gastronomie ein absolutes „No-Go“, weil es unseren gängigen Vorstellungen von Bierkultur widerspricht. Direkt aus der Dose (oder aus der Flasche) lässt sich Weizenbier nicht vernünftig genießen – dafür hat es einfach zu viel Kohlensäure. Außerdem ginge ein Gutteil der Aromen verloren. Mehr noch als bei normalen Bieren spielt die Wahl des richtigen Glases eine entscheidende Rolle.
Wie ist es um die Zukunft von Weizenbier in der heimischen Gastronomie bestellt? Wird es nach den westlichen Tourismus-Regionen auch den Osten unseres Landes erobern? „Wenn man sich die zunehmende Vielfalt an außergewöhnlichen Weizenbieren von heimischen Brauereien anschaut, ist davon auszugehen, dass der Absatz von Weizenbier auch in Wien steigen wird. Nach dem Boom von kräftig gehopften Craft-Bieren sehnen sich viele Konsumenten nach Bierspezialitäten, die nicht nur mit Bittere und blumigen Hopfennoten überzeugen“, sieht Michael Kolarik-Leingartner noch einiges Potenzial für heimische Weizenbiere.
Dass österreichische Brauereien gerade in Bayern in der Kategorie Weizenbier heuer so groß auftrumpfen konnten, ist beachtlich. Neben den drei Medaillen von Fohrenburger gab es auch zwei „Weizenmedaillen“ für die Salzburger Stiegl Brauerei: für die Weiße naturtrüb gab es Silber, für den Gipfelstürmer in der Kategorie „New Style Hefeweizen“ Bronze. Eine Goldmedaille gab es für Stiegl dennoch. In der Kategorie kräftige und gereifte Biere war der Sonnenkönig VIII Klassenbester. Ebenfalls Gold gab es für Trumer in der Kategorie Märzenbier, für Egger mit seinem Kellerbier und für Ottakringer mit dem Avalanche in der Kategorie Imperial Indian Pale Ale.
Felix Schifferer wurde vor kurzem Vizeweltmeister der Biersommeliers, als neuer Braumeister der Fohrenburger Brauerei holte er in München sogar Doppelgold.
Doppelgold und Bronze für Fohrenburger
Braumeister Reinhold Barta zeigt mit seinem Weizenbock, dass er auch obergärig ein echter Meisterbrauer ist.
"Unsere Weizenbiere weisen eine sortentypische Aromatik von Gewürznelke bis hin zu grüner und reifer Banane auf."
Christian Pöpperl, Stiegl-Chefbraumeister
"Der Absatz von Weizenbier wird auch in Wien steigen."
Michael Kolarik-Leingartner
Leitung Exklusivmarken bei Del Fabro Kolarik