PORTRÄT // INTERVIEW

EINS, ZWEI, VIELE

Aus dem beliebten Pop-Up Club Horst ist eine richtige Gruppe geworden, die in Wien demnächst drei lässige Clubs und eine Bar betreiben wird. Das ausgehungerte Wiener Partyvolk darf sich auf rauschende Nächte freuen.

Text: Wolfgang Schedelberger

Foto: Michael Otto 

Du hast uns in die wunderschöne Hannelore Bar geladen, die immer noch geschlossen ist. Es ist Mitte Februar, also dürftet Ihr bis Mitternacht Gäste bewirten. Dennoch wartet Ihr noch, bis die Sperrstunde um Mitternacht aufgehoben wird. Wieso eigentlich?

Joachim Natschläger: Würde ich meinem Herz folgen, hätten wir schon längst wieder geöffnet, aber ich habe im Laufe meines Unternehmerlebens im Nachtgeschäft gelernt, mich nicht nur von Emotionen leiten zu lassen, sondern auch auf das Hirn zu hören. Wenn wir pünktlich um Mitternacht schließen müssen, würden wir operativ jeden Tag ein Minus machen und das geht einfach nicht. Wir warten also lieber noch ein bisschen zu und starten dann richtig durch.

Wieso ist das so? Dass man keinen Club aufsperren kann, wenn um Mitternacht Schluss ist, liegt auf der Hand. Aber macht eine gute Bar den Großteil des Geschäfts nicht vor Mitternacht – Stichwort After-Work-Parties?

Wir brennen wirklich darauf, wieder aufzusperren. Wir haben das Restaurant Blue Mustard nach dem ersten Lockdown übernommen und daraus die Hannelore Bar gemacht. Für eine reine Cocktailbar ist das Lokal aber viel zu groß und das vorherige Konzept einer Restaurant-Bar erschien uns nicht erfolgversprechend. Bei uns treffen sich zumeist kleinere Gruppen, um gemeinsam etwas zu trinken. Der Großteil der Gäste konsumiert an den Tischen und nicht an der Bar. Nachher gehen viele dann noch in einen Club. Wir selbst sind zwar kein Club, aber die Musik ist doch deutlich knackiger und lauter als in einer lauschigen Cocktailbar. Unsere Clubs und die Hannelore Bar ergänzen sich also irgendwie. Sobald die Sperrstunde gefallen ist, sperren wir wieder auf.

Wenn du im Plural sprichst, meinst Du offensichtlich die Horst-Group. Was ist das genau? Der Horst-Club in der Rotgasse wurde Anfang 2000 ja offiziell zu Grabe getragen. Wann und wie ist es zu einer Wiederauferstehung als Gruppe gekommen?

Das Horst war eine geile Sache. Ein richtig räudiger Techno-Club, in dem es nicht um Marken oder schicke Styles gegangen ist, sondern um guten, ehrlichen Techno. Nach meinem Schiffbruch mit der Empire-Gruppe im Jahr 2014 war ich Pleite. Also musste ich von vorne beginnen – das bedeutete, etwas auf die Beine zu stellen, ohne groß zu investieren. Also ein Pop-Up an einer Off-Location. . Gemeinsam mit einem Partner haben wir dann mit der ehemaligen Kantine des alten Zollamts eine grandiose Location gefunden und dort einen Club von 2014 bis 2016 geführt. Doch die Kantine – so hieß der Klub – hatte von Anfang an ein Ablaufdatum. Heute stehen dort die Türme des Trlllple Wohnparks. Also habe ich mich wieder auf die Suche nach einer neuen Location für ein Pop-Up gemacht und bin in der Rotgasse fündig geworden, wo wir dann drei Jahre lang das Horst betrieben haben.

Die Adresse hast Du ja gut gekannt. Dort hattest du ja von 2004 bis 2012 das Empire betrieben. Wieso das Deja vu?

Das Haus in der Rotgasse hat den Eigentümer gewechselt. Der neue Besitzer Ronny Pecik plante die Immobilie zu einem Hotel umzubauen und wollte daher keine neuen Dauermieter haben. Das ehemalige Empire stand leer, hatte aber noch eine aufrechte Betriebsanlagen-Genehmigung. Auch Strom und Sanitäranlagen waren ok. Also haben wir beschlossen, uns dort mit dem Pop-Up-Club Horst einzumieten. In den drei Jahren, die wir dort waren, habe ich Pecik näher kennen gelernt. Und er hat bei mir gesehen, dass man einen lässigen Club auch seriös betreiben kann. Nachdem wir die Rotgasse 2019 räumen mussten und sich mit der Albertina Passage eine attraktive Möglichkeit für einen richtig großen Club bot, haben wir uns zusammen getan und die Passage als „O-Club“ neu eröffnet. Fast zeitgleich konnten wir auch das Schwarzenberg übernehmen und als Inc. Hip-Hop-Club weiterführen. Als gemeinsame unternehmerische Klammer haben wir die Horst-Group gegründet, die im Frühling 2020 das Blue Mustard übernommen und daraus die Bar Hannelore gemacht hat.  

Wie fühlt es sich an, vom Pop-Up-Veranstalter zum Betreiber mehrerer edler Clubs aufzusteigen?

Das fühlt sich großartig an, aber das Gefühl habe ich ja schon aus meinem Vorleben mit der Empire-Gruppe gekannt. Der große Unterschied ist allerdings, dass damals alles recht chaotisch war und ich trotz meiner Rolle als Geschäftsführer irgendwann die Übersicht verloren habe. Nachdem es von 2000 bis zur Wirtschaftskrise 2008 nur bergauf gegangen ist und wir eine Disco nach der anderen aufgesperrt hatten, habe ich zu spät realisiert, wie sich das Ausgehverhalten der Gäste geändert hat. Bis 2008 konnten wir an drei oder vier Tagen in der Woche Umsatz machen. Doch plötzlich waren die Lokale nur mehr an den Wochenenden voll. Ich hätte darauf konsequenter reagieren müssen anstatt auf die baldige Rückkehr zu den guten alten Zeiten zu hoffen. Ich will da nichts schön reden und musste dafür auch die Verantwortung übernehmen. Zum einen habe ich daraus viel gelernt, zum anderen habe ich mit Ronny Pecik jetzt einen Partner, der sich mit Finanzen wirklich gut auskennt. So kann ich mich voll auf die operative Leitung konzentrieren, ohne Gefahr zu laufen, dass das Unternehmen in eine finanzielle Schieflage kommt.

Foto: Bono Goldbaum

Im Februar 2020 war also alles auf Schiene. Der „O-Club“ hatte ein grandioses Opening hingelegt auch der Inc. Hip-Hop-Club funktionierte tadellos. Irgendwann würde dann das Hotel samt Club in der Rotgasse folgen. Doch dann kam Corona. Wie haben Sie das erlebt?

So wie alle anderen auch. Zunächst als Schock, der während des ersten Lockdowns das gesamte soziale Leben betroffen hat. Dass zwei Winter folgen würden, in denen man uns das Betreiben der Clubs verbieten würde, war allerdings für niemanden vorhersehbar. Nachdem wir im Sommer 2021 die Bar Hannelore aufgesperrt haben und auch die beiden Clubs wieder hervorragend liefen, schien die Pandemie vorbei zu sein. Doch dann kam der November 2021 mit den neuerlichen Schließungen. Mir tut das vor allem für die zahlreichen Mitarbeiter sehr leid, denn wir konnten nur einen kleinen Teil mit dem Kurzarbeits-Modell der Regierung weiter beschäftigen. Aber das liegt jetzt hinter uns. Ich bin davon überzeugt, dass es ab März, wenn die Sperrstunde fällt,  wieder richtig losgeht. 

Magst Du für uns einen Blick in die Kristallkugel wagen? Glaubst Du, dass sich das Ausgehverhalten der Gäste nachhaltig verändert hat?

Darüber, wie es im kommenden Winter wird, will ich nicht spekulieren. Für das nächste halbe Jahr bin ich aber sehr optimistisch. Wir spüren eine richtige Aufbruchsstimmung. Die jungen Leute wünschen sich ihre Freiheit zurück und wollen wieder gemeinsam Party machen. Trotz der allgemeinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten glauben wir, dass junge Leute mehr Geld fürs Ausgehen ausgeben werden, weil ein enormer Nachholbedarf nach gemeinsamen Erlebnissen besteht. Manchmal scheint es mir, dass die Erwachsenen vergessen haben, wie wichtig gemeinsame Erlebnisse für junge Menschen sind. Das betrifft ja nicht nur nächtliche Club-Besuche, sondern auch Festivals, Konzerte oder den Sportveranstaltungen. Es wird da zumeist nur über Umsatzverluste der Veranstalter geredet, die man irgendwie ausgleichen will. Aber es geht dabei um viel mehr. Gemeinsame Erlebnisse schaffen Identität und sozialen Zusammenhalt.

Jetzt bist Du ja auch schon länger im Erwachsenenleben angekommen. In deiner aktiven Fortgehzeit gab es noch keine sozialen Netzwerke. Wie bekommt man als „alter Hase“ den Club mit jungen Leuten gefüllt? Arbeitet Ihr da mit externen Veranstaltern zusammen?

Nein, das war nie meine Philosophie, weil man da rasch in Abhängigkeiten geraten kann und irgendwann die Kontrolle über die eigene Positionierung verliert. Wir sind in unseren Clubs immer selbst Veranstalter. Das bedeutet natürlich, dass wir vor allem im Marketing viele junge Leute an Bord haben, die genau wissen, wie man Leute aus dieser Zielgruppe treffsicher anspricht. Auch für die Programmierung der Abende ist es wichtig, den Puls der Zeit zu spüren. Das gilt umso mehr, wenn man – so wie wir – mehrere Clubs in der gleichen Stadt betreibt. 

Mit dem O-Club und dem Inc. sind es aktuell zwei Clubs. Das ist aber noch nicht das Ende der Fahnenstange, oder? Was ist mit dem Objekt in der Rotgasse, wo Du zuerst das Empire und später das Horst betrieben hast?

Bis es dort so weit ist, wird es noch ein bisschen dauern. Das wird sich heuer nicht mehr ausgehen. Aber schräg gegenüber vom O-Club wird es demnächst losgehen. Auch wenn uns in den letzten Monaten operativ die Hände gebunden waren, sind wir nicht untätig gewesen. Ronny Pecik hat das Hotel am Opernring übernommen und komplett umgebaut. Das wird im Mai unter der Marke „O-Eleven“ aufsperren und ist als exklusives Boutique-Hotel mit rund 50 Zimmern positioniert. Im Keller war zuvor der „Platzhirsch“ beheimatet, den wir in den letzten Monaten komplett umgebaut haben und als „Heidi“ aufsperren werden. Auch das wird extrem spannend. Wir können es gar nicht erwarten, dass in Wien das Nachtleben endlich wieder losgeht.

ES WURDE GETANZT

Nicht nur junge Menschen freuen sich darüber, dass man dann nach Hause geht, wenn man will und nicht wenn man muss.   

In den Clubs,  Diskotheken und Bars unseres Landes herrscht aktuell eine besonders gute Stimmung. Endlich wieder zufällig alte Bekannte treffen oder neue Menschen kennen lernen! Die Vibes der Nacht sind einfach unverzichtbar.

Spannend bleibt es aber allemal. Schließlich hat sich nach vier Lockdowns und einer schier endlos langen Zeit auch viel verändert.

Foto: Michael Otto 

Joachim Natschläger
(O-Club, Inc., Hannelore, Wien)

Es war extremer als beim ersten Mal aufsperren. Die Menschen waren wie Raubtiere. Das war unfassbar. Die Euphorie hat voll durgeschlagen. Man hat gesehen wie das Feiern den Menschen gefehlt hat. Party machen und feiern ist einfach ein wichtiger Bestandteil des Lebens. Der Besuch nach den Monaten des Stillstandes wird weiter stark sein, obwohl die hohen Infektionszahlen doch ein wenig drücken. Bis Ende des Jahres wird sich aber alles einpendeln. 

Foto: Christian Jobst

Martin Ho (Dots Group)

Wir haben in allen Clubs ein sehr schönes und stimmungsvolles Comeback nach nahezu zwei Jahren des totalen Stillstands gefeiert. Das Publikum hat viel positive Energie mitgebracht. Wir sehen, dass die Menschen endlich wieder ihr Leben feiern und genießen wollen. Auch für die nächsten Wochen haben wir erfreulich viele Reservierungen. Wenn das Verordnungschaos tatsächlich ein Ende nimmt und die Politik verlässlich arbeitet, sind wir sehr, sehr optimistisch gestimmt. Das wird ein toller Sommer! Die Menschen brauchen das Comeback und ihr soziales Leben!

Markus Käfer & Matthais Kopper (Excalibur, Hartberg)

Es war emotional. Alle Stammgäste waren da. Die Leute haben gefeiert und wir sind froh, dass wir unser Leben zurückhaben. Die Disko ist nämlich wirklich unser Leben und 20 Monate zu haben hat sehr weh getan. Etliche Gäste sind sich beim Wiedersehen um den Hals gefallen. Die Jugend hat ein Party-Defizit und giert nach der Wiederauferstehung sozialer Kontakte. 16-jährige wissen ja gar nicht, wie lustig das Leben sein kann. Wir denken, dass noch geilere Partys kommen werden. Unser Personal ist motiviert, der DJ ist motiviert. Wir haben wieder Feuer gefangen für’s Party machen! 

Foto: Rainer Fehringer

Stefan Süß (Empire, St. Martin, Lusthaus Haag, Be Happy)

Es war einfach sensationell. Unsere Mitarbeiter hat es genauso gefreut wie die Gäste. In fast allen Lokalen war Türstopp, wir waren darauf aber gut vorbereitet. Als Unternehmer, wie auch als Mensch ist es ein gutes Gefühl wieder unter Menschen zu sein, denn wir geben einander Energie. Wir gehen davon aus, dass die nächsten 1-2 Monate die Leute richtig heiß werden, denn es gibt Nachholbedarf, die Gäste sind echt dankbar wieder ausgehen zu dürfen. 

Franz Busta und seine Partnerin Bozana Jonjic. Foto: Rainer Fehringer

Franz Busta (City Beats Club, Salzburg)

Wir hatten einen Riesenansturm an jungen Leuten. Extrem voll war’s. Aber es gab keine größeren Probleme. Mit den Gästen war alles sehr ruhig. Eher schwierig war es mit unserem neuen Personal. Wenn nicht wieder was kommt, gehen wir sehr positiv in die nächsten Wochen und Monate. In Salzburg sind wir sehr beliebt, und das wird sicher auch so bleiben.