IM FOKUS

DAS BESTE AUS ZWEI WELTEN

Die Heurigenkultur hat in Österreich eine lange Tradition. Dass sich immer mehr Winzer hochdekorierte Restaurants als Bühne für ihre Weine leisten, ist ein vergleichsweise junges Phänomen.

Text: Michael Pech

Men in Black: 3-Sterne- Koch Juan Amador (l.) hat die schärfsten Messer, Winzer Fritz Wieninger ist „Großmeister des Gemischten Satzes“
Foto: Rainer Fehringer

Die Formen der Kooperation zwischen Winzer und Wirt sind höchst unterschiedlich. Das leuchtendste Beispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Winzer und Koch findet man im 19. Wiener Gemeindebezirk. Als der Weinbauer Fritz Wieninger 2016 gemeinsam mit Juan Amador das Projekt Amadors Wirtshaus und Greißlerei im ehemaligen Lokal des Weinguts Hajszan- Neumann (seit 2014 im Besitz von Wieninger) eröffnete, schwang eine gewisse Portion Understatement mit. Der Guide Michelin stellte sich auf Anhieb mit zwei Sternen ein – sehr hoch für ein Wirtshaus, wie Amador sein Restaurant kokett bezeichnete. Aus „Wirtshaus und Greißlerei“ wurde schließlich das „Relais & Châteaux Restaurant Amador“, statt zwei Sternen glänzen seit 2019 stolze drei Sterne in der Grinzinger Straße 86. Das freut den Koch genauso wie den Winzer, denn Fritz Wieninger hat damit die beste Bühne, um seine Weine einem internationalen Publikum zu präsentieren.

Auf nicht weniger als dreieinhalb Seiten sind die Wieninger-Weine in der Weinkarte aufgelistet – einerseits jene des gleichnamigen Weinguts und natürlich auch die Weine von Hajszan-Neumann. Alles in einer beachtlichen Jahrgangstiefe, dazu Raritäten und natürlich auch glasweise zu verkosten. „Im Regelfall ist auch immer ein Wein aus den beiden Weingütern in der Weinbegleitung integriert“, sagt Wimmer. Wieninger selbst fungiert als Verpächter der Lokalität und steuert dazu auch noch den Weinkeller bei. Damit entfällt für den Betreiber natürlich eine enorme finanzielle Belastung.

Genuss ohne soziale Schranken

Das Drei-Sterne-Restaurant ist übrigens nicht das einzige Gemeinschaftsprojekt der beiden Geschäftspartner und Freunde. Mit dem Hans & Fritz betreiben sie am Steinberg auch einen Edel-Buschenschank. Die Schank befindet sich in einem roten Pop-up-Container, der früher für die Buschenschank Wieninger am Nussberg im Einsatz war. Auf der Speisekarte stehen Klassiker wie Beinschinkenbrot mit Kren oder Bio-Leberpastete im Glas. Aber auch Heurigen-Untypisches wie Beef Tatar vom Almochsen, Ceviche von Süßwasserfischen mit Dill, Gurke und Jalapeño oder Cheesecake mit Marillenröster gibt es hier zum Essen. Eine ähnlich genussvolle Zusammenarbeit zwischen Winzer und Koch kam im vergangenen Jahr auch bei Erich Polz jun. in der Südsteiermark zustande, der sich mit Alexander Mayer einen der besten Köche Österreichs für seine Buschenschank an das Weingut holte.

Dass man in den Weinbergen rund um Wien nicht nur bestens trinken, sondern ebenso gepflegt essen kann, etablierte sich bereits im 19. Jahrhundert. Damals entdeckte das Bürgertum die Vorzüge der Heurigenkultur, die ihren Ursprung noch weiter zurück im Mittelalter findet. Joseph II. erließ 1784 eine Verordnung, die es Weinbauern erlaubte, ihre Weine zu gewissen Zeiten offen auszuschenken und dies durch das Aufhängen eines „Buschen“ anzuzeigen. Der Verkauf von warmen Essen war – und ist bei „echten“ Heurigen bis heute – verboten. Daher war es üblich, dass sich die Heurigenbesucher ihr Essen selbst mitgebracht haben.

Ein paar Naschereien zur Stärkung wurden wohl stets angeboten, dann folgten kalte Buffets. Ab den 1960er- Jahren haben sich immer mehr Wiener Heurigenlokale in Restaurants verwandelt – mit warmen Speisen, ganzjährigen Öffnungszeiten und einer Gastronomie- Konzession. Der in Wien und Umgebung übliche Begriff „Heuriger“ deutet darauf hin, dass hier ab dem Spätsommer zuerst Sturm und dann die ersten Jungweine ausgeschenkt wurden. Der in den Bundesländern übliche Begriff „Buschenschank“ bezieht sich auf die „Buschen“ oberhalb des Eingangs, mit dem angezeigt wurde, dass ein Winzer „ausgesteckt“ hat.

Der Heurige entwickelte sich im 19. Jahrhundert zum geselligen und zwanglosen Ort ohne strenge Etikette. Adel und Bürgertum fuhren mit der Pferdekutsche vor die Tore Wiens, der Heurigenbesuch selbst war jedoch eine sehr demokratische Veranstaltung. Eine der ersten Pferdetramwaylinien der Kaiserstadt fuhr ab 1865 vom Zentrum hinauf nach Dornbach, ab 1896 kamen dann Dampftramways bis nach Perchtoldsdorf hinzu. So wurde der Heurigenbesuch für viele Wiener auch zu einem kleinen Kurzurlaub, um Lärm und Gestank der Großstadt für ein paar Stunden hinter sich zu lassen.

 
Vorreiter in der Südsteiermark
 

Es war nicht in der Bundeshauptstadt, wo sich die ersten höchst dekorierten Restaurants aus der Heurigenkultur emanzipierten, sondern in der Steiermark. Der prägende Pionier war Albert Neumeister, der die berühmte Saziani Stub’n vor 35 Jahren als moderne und hochqualitative Buschenschank eröffnete und sie im Jahr 2000 zur gehobenen und mit der Region verwurzelten Gastronomie ausbaute. „Es war eine logische Weiterentwicklung“, erinnert sich Neumeister. „Wer beim Wein nach dem Besten strebt, der will das auch in seiner Gastronomie umsetzen.“ Noch heute ist er eines der wenigen Beispiele, bei dem der Winzer gleichzeitig auch der Betreiber der Gastronomie ist und nicht „nur“ der Verpächter. Die Neumeisters gingen sogar noch einen Schritt weiter und wurden auch zu Hoteliers. Ein logischer Schritt, denn anspruchsvolle Quartiere sind in Straden und Umgebung Mangelware. Übernachtungsmöglichkeiten in der Umgebung sind äußerst dünn.

Große Namen waren in der Saziani Stub’n von Anfang an für die kulinarischen Höhenflüge verantwortlich. Zuletzt Harald Irka, einige Jahre zuvor Jürgen Kleinhappl als damals jüngster Sternekoch Österreichs und natürlich Gerhard Fuchs, der in Straden im Jahr 2004 vom Gault&Millau sogar zum „Koch des Jahres“ ausgezeichnet wurde.

Fuchs hat in den – nicht immer friktionsfreien – Winzer-Koch-Beziehungen die längste Erfahrung in Österreich: Er war es auch, der später in einer ähnlichen Konstellation im Kreuzwirt am Pössnitzberg der Winzer-Brüder Polz groß aufkochte und seit dem Jahr 2014 nun in der Weinbank mit einer weiteren bekannten Winzerfamilie, nämlich den Tements, zusammenarbeitet. Hier aber erstmals nicht als Angestellter des Weinbauers, sondern gemeinsam mit Geschäftspartner und Sommelier Christian Zach als Pächter der Immobilie in Ehrenhausen. „Wir haben hier auch einen beträchtlichen Teil mitinvestiert“, sagt Fuchs, der die erfolgreiche Partnerschaft mit den Tements als eine auf Augenhöhe beschreibt.

„Wir zahlen den Wein, den wir bei ihnen kaufen, sie bezahlen ebenso die volle Rechnung, wenn sie zu uns zum Essen kommen.“ Als Bonus profitiert man von einem bevorzugten Zugriff auf das Archiv der Tements, in dem begehrte und seltene Weinschätze der bekannten Familie lagern. Wer Christian Zach als Sommelier kennt, der weiß, dass nur ausgeschenkt wird, was er selbst trinken würde. Es gibt also keine Vorgabe, dass Tement-Weine bevorzugt werden. „Tement war in Österreich immer ein Vorzeigebetrieb und beweist das auch jetzt mit der abgeschlossenen Umstellung auf Biodynamik“, so Zach. Freilich nehmen die Weine von Tement auf der Weinkarte des Vier-Hauben-Restaurants die weitaus größte Position ein. Und das mag was heißen bei einer der besten und umfangreichsten Weinkarten im Lande.

Im Keller der Weinbank haben Gerhard Fuchs (l.) und Christian Zach unzählige Raritäten des Weinguts Tement

Raritäten und Haubenküche

Eine der längsten Zusammenarbeiten im Winzer-Gastronomen-Business findet sich mitten im Kamptal. Seit 2009 pachten Victoria und Martin Schierhuber den Heurigenhof von den Bründlmayers in Langenlois. Nur 500 Meter entfernt vom Loisium liegt der Heurigenhof idyllisch hinter den Weingärten. Heute wird die traditionelle Heurigenstruktur zwar aufrechterhalten, aber mit gehobener Küche kombiniert. Der Gault&Millau vergab jüngst 15 Punkte und drei Hauben. „Unser Interesse als Verpächter ist es, dass eine Begegnung der Bründlmayer-Weine in einem schönen Ambiente stattfinden kann. Im technischen Betrieb der Weinerzeugung können wir nie so viele Kunden erreichen wie hier“, erklärt Bründlmayer-Sales-Manager Thomas Klinger, der bei der eigenen Weinauswahl im Heurigenhof Mitspracherecht genießt.

Mehr über guten Wein, Heurigen und Sommeliers in der Printausgabe #90.