In kürzester Zeit hat sich das Restaurant zu einer der spannendsten Adressen Wiens entwickelt und wurde auf Anhieb mit drei Gault-Millau-Hauben ausgezeichnet. Mit einem noblen Fine- Dining-Restaurant hat es jedoch wenig gemein. Dafür ist der Patron dann doch ein bisschen zu wild.
So kurz war die Zeit gar nicht und eigenwillig zu sein ist doch ein ziemlich sympathisches Attribut. Zumindest empfinde ich das so. Wenn jemand höflich fragt, versuche ich natürlich so weit als möglich auf die Wünsche der Gäste einzugehen. Ich würde nicht sagen, dass Sonderwünsche nicht willkommen sind, aber sie sind bei mir halt fehl am Platz. Ich habe eine sehr kleine Küche und koche mit der Unterstützung eines einzigen Mitarbeiters jeden Abend ein neungängiges Menü. Da kann ich dann nicht kurzfristig Alternativen aus dem Hut zaubern und Extrawürste braten. Wenn jemand irgendetwas nicht essen kann oder es partout nicht essen will, dann lässt er halt einen Gang aus. Wo ist das Problem? Die meisten Leute kommen ja genau deshalb hierher, um sich von mir kulinarisch überraschen zu lassen. Wir weisen bei der Reservierung auch ausdrücklich darauf hin. Die Gäste wissen also, worauf sie sich einlassen.
Auf einen genussvollen Abend mit einer abwechslungsreichen Speisefolge, die laufend wechselt. Zumeist ist auch irgendein Gericht mit Innereien dabei,
dann ein oder zwei Fischgänge, meistens auch ein Stück Fleisch. Generell koche ich sehr gerne mit Gemüse. Was es immer gibt, sind die Pithiviers, wobei die Füllung laufend wechselt. Im vergangenen Jahr habe ich das Menü rund um einen Lebenskreis aufgebaut. Die Idee ist mir während des Lockdowns gekommen. Das war ein halbes Jahr lang spannend, aber dann ist mir das zu verkopft geworden. Jetzt ist etwas weniger Storytelling dabei, weil die einzelnen Gerichte für sich sprechen sollen. Ein bisschen Spaß darf dennoch immer sein. So habe ich am Valentinstag gegrillte Lammhoden in einer Joghurt-Kimchi-Sauce serviert. Da waren es vor allem die Männer, die anfangs ein bisschen gezögert haben. Schlussendlich waren aber alle begeistert.
Diese Frage beinhaltet gleich zwei Begriffe, die ich nicht mag. Ich bezeichne mich nur ungern als Gastronom, weil für mich in diesem Begriff viel Negatives mitschwingt. Gastronom war ich vielleicht früher einmal, als ich meine beiden Lokale Karma Ramen hatte, und es gibt ja einen Grund, wieso ich mich von ihnen getrennt habe. Die Bezeichnung Gastwirt finde ich zutreffender. Ich bin ein selbstständiger Gastgeber, der seine Gäste nicht nur gerne bewirtet, sondern auch persönlich bekocht. Wirklich schlimm finde ich das Wort Konzept. Wieso muss heute jedes Lokal ein Konzept haben? Ich habe jedenfalls kein Konzept. Ich nehme mir die Freiheit, mein Lokal so zu führen, wie es mir gefällt. Gleichzeitig gebe ich mir dabei größte Mühe, jeden Abend genügend zahlende Gäste im Lokal zu haben, die es mir ermöglichen, von meiner Arbeit anständig zu leben. Dafür brauche ich kein Konzept.
Weiter gehts im Heft #89...
Die ersten 18 Jahre verbrachte Igor Kuznetsov bei seinen Eltern in Moskau. Dann zog es ihn nach Wien, wo er zunächst Deutsch lernte und in verschiedensten Branchen jobbte. Schlussendlich landete er in der Gastronomie, wo ihm mit dem Karma Ramen auf der Rechten Wienzeile ein großer Wurf gelang. Dort kochte er auf erfrischende Art und Weise köstliche japanische Nudelsuppen.
Der Erfolg war derart durchschlagend, dass bald ein zweites Lokal im ersten Bezirk folgte. Fürs Kochen war plötzlich keine Zeit mehr. Also verkaufte Kuznetsov kurzerhand die beiden Lokale und ging für ein halbes Jahr nach Tokio, um „richtig kochen“ zu lernen. Zurück in Wien, eröffnete er im Dezember 2019 das Noble Savage.