MEIN BIO-BIER IST NICHT DEPPERT

Der Trend zu Bio-Produkten hat auch den heimischen Biermarkt längst erfasst. Doch was bedeutet „Bio“ beim Brauen überhaupt?
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Nachhaltige Kreislaufwirtschaft und der Erhalt der Artenvielfalt stehen bei Stiegl am Biergut Wildshut im Fokus. Guter Boden, Diversität auf dem Feld ergeben eine breite Sortenvielfalt im Glas mit den Wildshuter Bieren.
Foto: Marco Riebler
Schmecken Bio-Biere besser? Sind sie gesünder? Oder geht es bei Bio-Bieren vor allem um zeitgemäßes Nischen-Marketing?

Im Gegensatz zum Essen, wo das „Bio“-Label zwar nicht zwangsläufig, aber doch sehr oft mit höheren Qualitäten einhergeht, lässt sich Bio im Bier nicht erschmecken. Mit dem Attribut „naturtrüb“ hat es jedenfalls nichts zu tun. Stammen alle Zutaten aus kontrolliert biologischem Anbau, kann man jeden Bierstil in Bio-Qualität brauen. Dass die meisten konventionellen Brauereien für ihr „Bio-Bier“ ein naturtrübes Zwickel wählen, hat zumeist damit zu tun, dass es marketingmäßig besonders gut zusammenpasst. Sich ökologisch verantwortlich zu zeigen, haben viele Brauereien in den letzten Jahren in ihr Unternehmens-Leitbild geschrieben. Auch in der Werbung werden reines Wasser und eine unberührte Natur gerne als Synonyme für Bier als Naturprodukt verwendet. Für eine gesetzliche erlaubte Bio-Zertifizierung braucht es natürlich mehr.

Regional oder Lifestyle?

Jahrhundertelang war Bier ein regionales Bio-Produkt. Gebraut wurde mit dem vermälzten Getreide aus der Umgebung. Überall dort, wo sich das Wasser aufgrund seiner Weichheit besonders gut zum Brauen geeignet hat, schmeckte es noch ein bisschen besser. Das bisschen Hopfen, das man zum Konservieren brauchte, hat man entweder selbst angebaut oder zugekauft.

Im 20. Jahrhundert hat sich der Markt für agrarische Produkte zunehmend internationalisiert, was die Modernisierung der Landwirtschaft zusätzlich befeuerte. Kunstdünger, Pflanzenschutzmittel und technologische Innovationen haben die Erträge auf den Feldern vervielfacht. Schnellere Transportwege und größere Märkte haben weltweit aus regionalen Brauereien zunächst nationale und später auch internationale Marken gemacht. So ist aus einem regionalen Arbeitergetränk ein Lifestyle-Artikel geworden. Von wo genau die Rohstoffe zum Brauen kommen, spielte eine immer geringere Rolle.

In den 1980er-Jahren wurden die Auswirkungen einer immer industrieller agierenden Landwirtschaft auf die Güte der Böden und die Qualität der Lebensmittel deutlich. Wer will schon Schwermetalle, Pestizide und sonstige Gifte mit dem Essen in seinen Körper lassen, selbst wenn ihm versichert wird, dass die Mengen so gering sind, dass es eigentlich nicht bedenklich sei. Der stolze Bauer aus der Region, der sein Gemüse saisonal, frisch und natürlich in Bio-Qualität herstellt, war zum Idealbild einer Generation geworden, für die das Arbeiten am Feld eine romantisch verklärte Alternative zum Job in der Fabrik oder im Büro geworden war. Bio als Weltanschauung war auch eine Absage an Marken und Märkte, an Industrie und Großhandel: Birkenstock statt Adidas, Tante-Emma-Laden statt Supermarkt!

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In den 1990er Jahren war es fast unmöglich, Bio- Gerste zu bekommen. Braumeister Raimund Linzer arbeitet heute mit österreichischen Rohstoffen aus biologischem Anbau.
Foto: Privatbrauerei Hirt

Einige Kleinbrauereien wie Emmerberg brachten Anfang der 1990er-Jahre erstmals Bio-Biere heraus. Die erste größere Brauerei, die sich dem Thema Bio widmete, war Hirter, wo man allerdings rasch erkannte, dass es gar nicht so einfach ist, ein zertifiziertes Bio-Bier zu brauen. Schließlich braucht man dafür biozertifizierte Gerste, die es damals in Österreich kaum gab. Und auch die Beschaffung von Bio-Hopfen stellte eine Herausforderung dar. Weil die sensible Pflanze gegen Schädlingsbefall besonders empfindlich ist und fast niemand Bio-Bier braute, gab es damals auch (fast) keinen Bio-Hopfen. Doch der Zug in Richtung Bio-Lebensmittel war im Rollen.

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Mittlerweile gehören neun Bio-Biere der Frastanzer Familie an. Zuletzt sind das "s'dunkle" und "s'honig" beim lokalen Player im Westen dazugekommen.
Foto: Frastanzer Brauerei
Wildshuter Biersortiment
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Die Stiegl Brauerei lebt eine eigene Bio-Landwirtschaft und Kreislaufwirtschaft. Sie pflegt dabei den Boden, forscht auf dem Gebiet des Humusaufbaus, kultiviert in Vergessenheit geratene Urgetreidesorten wie die Alpine Pfauengerste oder den Laufener Landweizen, vermälzt diese Urgetreidesorten selbst und braut daraus unsere Wildshuter Bierspezialitäten.

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Kein künstlich getrübtes Industriebier, sondern eine echte naturtrübe Brauspezialität aus bester österreichischer Bio-Gerste.

Schladminger_Braumeister Rudolf Schaflinger hat im Herbst am Gelände der Grünen Brauerei Schladming eine Buchenhecke gepflanzt. Kopie.jpg

Bei den beiden Schladminger Bio-Biersorten „Bio-Zwickl“ und „Schnee Weiße“ von Braumeister Rudolf Schaflinger kommt der Hopfen aus dem Mühlviertel, die Braugerste und der Brauweizen für das Bio-Braumalz aus Ober- und Niederösterreich.

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»Wir verkaufen kein Bio-Bier. Wir brauen gutes Bier in Bio-Qualität«

Reinhold Barta, Gusswerk

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»Bio ist für mich keine Frage der Zertifizierung, sondern der Haltung.«

Seppi Sigl, Trumer

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Das bernsteinfarbene Spezialbier "Hadamard" aus der Bierwerkstatt Weitra von der Zwettler Brauerei Karl Schwarz hat viele Freunde im Osten.

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